Ich wollte Berge, ich bekam Berge

und es gab auch noch viel mehr

Zwei Tage, die nicht all zu fordernd waren hatte ich hinter mich gebracht und ich hatte mich entschieden diese Nacht am Arachthos Fluss zu verbringen. Um in das tiefe Tal des Flusses zu kommen hatte ich eine gefühlt ewige abfahrt durch unzählige Serpentinen herunterzurollen. Naja, aber auch alles Höhenmeter die ich zuvor hochstrampeln musste.

Wie nahezu an jedem Tag, so auch an diesem wusste ich noch nicht so ganz wie es am Folgetag weitergehen sollte.

Zwei Optionen gab es. 1. dem Fluss weiter Richtung Süden folgen und tendenziell 2 entspannte aber auch schöne Tage zu wissen. Oder 2. mich auf der anderen Seite des Tals über die mächtigen Berge bis zum UNESCO Weltkulturerbe durchzuarbeiten, welches ich eigentlich schon gerne sehen würde.

Die zweite Option hatte jedoch den Haken, dass diese Tour, und ja ich wollte sie an einem Tag machen und keine Nacht in den Bergen verbringen, die wohl heftigste meiner Reise sein wird. Komoot zeigte mir die Zahlen 126 km und 3010 Hm an. Ein wenig heiß auf die Herausforderung, sprach ich also direkt mit einem Einheimischen, der die Gegend gut zu kennen scheint, was er von dieser Route halte und wie die Straßenbeschaffenheiten etc. sind. Er schien die Gegen wirklich zu kennen, was er mir dadurch bewies, dass er mir ein paar Routenänderungen vorschlug, um ihm bekannte aggressive Hirtenhunde zu umfahren und ein paar mehr Wasserstellen zu haben.

Dann also an die Vorbereitung für den nächsten Tag. Der Mini-Markt um die Ecke sollte mich mit den Zutaten für ein riesiges Nudel-Gemüse-Feta Abendessen, wie auch die nötigen Cookies und Snacks für den langen Tag versorgen.

Wecker ging um 5:15 Uhr, dass ich auch ausreichend Zeit für den Tag und die vor mir liegende Strecke hatte. Angepeilt war ein Zieleinlauf um ca. 18 Uhr, dass noch ausreichend Zeit zur Magenbefüllung in Flüssig- und Feststoff bleiben sollte.

Nach einem schon während dem Frühstück reingedrückt was ging und voller Vorfreude auf den Tag in den ersten 700Hm+ Anstieg.

Lange Aufstiege, in denen Windgeräusche meist gering sind und keine hohe Aufmerksamkeit meinerseits von der Straße gefordert ist, nutze ich gerne dazu, um Anrufe in die Heimat/Meinen zu tätigen, um ein paar nette Worte mit meinen Engsten zu haben. Einzig, muss die Person am anderen Ende der Leitung die steigungsabhängige Intensität meines Rumgeschnaufes und nach Luft schnappender Satzunterbrechungen aushalten.

Der erste Anstieg rollte super. Wenn man weiß, dass noch einige Meter auf einen warten, dann kann ich mich sehr viel geduldiger in die Höhenmeter stürzen.

Als Nächstes stand ein weiterer Anstieg von über 1400 Hm an. Also langsam und stetig in die Pedale, auch unter dem Wissen, dass auf ca. der Hälfte der Höhe ein Dorf ist, in dem ich mein Mittagessen angedacht habe.

Auch wenn der Anstieg wirklich lang und anstrengend war, war er durchgehend kurzweilig. Die nächste Schlucht, die sich nach einer Kurve zeigte oder ein Kloster, das in die Felswand gebaut wurde. Hier und da ein Wasserfall oder einfach weiter Aussichten auf Berge und Schluchten.

Mittagessen hatte ich mir selbst mitgebracht. Zum Aufwärmen gab es einen Kaffee, denn mittlerweile wurde das Wetter immer schlechter und die Temperaturen waren nur noch einstellig, was aber auch an der Höhe lag. Es gab noch ein kurzes non-verbales Technikgefachsimpel mit den Dorfoberhäubtern, die schon während meines Kaffees mein Fahrrad und mich begutachteten. Die Weiterfahrt wurde mit einstimmigem Kopfnicken abgesegnet. Also los!

Ein weiteres Mal ist es gekommen, wie ich es hätte kommen müssen. Nachdem ich das Dorf verlassen hatte, in dem ich mir bei Kaffee mitgebracht zum Mittagessen meinem Körper wieder etwas Energie zugeführt habe, fuhr ich in die weißen Wolken und es wurde dann doch etwas nass. Also auf ab in die Regenklamotten: Jacke, Hose, Überschuhe. Als ich dabei war mich final aufs Rad zu schwingen und mich weiter nach oben Richtung weiße Wolken zu schieben, kam mein Auto vorbei und fragte sehr freundlich, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahte wir hatten einen kurzen Wort Austausch. „Das ist doch eine ziemlich weite Strecke, die ich heute auf mich genommen hätte“. Aber ich machte wohl den Eindruck, als könne man es mir zutrauen. Das Auto fuhr gerade los, da rollt es rückwärts wieder auf mich zu. Der Fahrer sagte nur „Dog Dog Dog“ und wie dankbar ich war, dass er mir also eine persönliche Eskorte boot, die so vonstattenging, dass ich immer versucht, er auf der anderen Seite des Autos zu sein, auf der sich der doch sehr große und angsteinflößende Hirtehund, der seine Herde beschützte. Und ja, ich war ihm sehr dankbar, dem Fahrer, der extra noch mal für mich umgedreht hat, denn besonders diese Hirtehunde sind teilweise echt bärige Monster, vorfallen, wenn man deren Herde queren muss, weil diese auf der Straße steht.. Eigentlich sollte man das vermeiden.

Denn auch die einheimischen haben mich des Öfteren gewarnt, vor den Hunden hier in den Bergen.

Ähnliche Situation, ohne persönliche Eskorte, hatte ich auf den restlichen 500 Höhenmetern Anstieg zu meinem höchsten Punkt an diesem Tag, noch ein paar Mal.

Der Körper noch gut beschäftige und der Geist gut abgelenkt von Natur, ein paar Telefonaten oder einfach nur ein paar sich festsetzende Gedanken im Kopf, erreichte ich dann den fast 2000 m hohen Pass mit guter Laune, aber leider ohne wirklich existierender Aussicht. Egal… das Gefühl des Erfolgs war trotz alledem dominierend. Bestärkt habe ich diesen mit dem letzten Schluck Wallnussschnapps den ich noch von Irenas Mutter aus Slovenien mit mir hatte.

Nach einer weitern Zuckerspeicherfüllung ging es dann also auf eine lange Abfahrt.

Unten angekommen und in den ersten Metern des nächsten Anstiegs, begann es mit einem Schild „Road Closed“… Naja… Was für Autos gelten mag soll für ein Fahrrad ja nicht unbedingt ein Hindernis darstellen… dachte ich mir.

Es begann damit, dass die Straße in halber Breite in das danebenliegende Flussbett weggebrochen war, was mich in meiner Meinung eigentlich nur bestärkte, dass es wohl für ein Auto hier wirklich zu gefährlich sei. Aber zum Glück bin ich schmalspurig auf zwei Rädern unterwegs.

Bis….

Die Straße dann doch vollkommen einfach weg war. Nach einem kurzen Blick auf die Karte war auch recht schnell klar, dass dieses Stück nicht einfach zu umfahren ist, weil es einfach keinen anderen Weg gibt.

Ok, Zelt hatte ich dabei für ein Abendessen sollte es auch noch reichen. Da hier aber ausgeschriebenes Bärengebiet ist, hat mir der Gedanke nicht so recht gefallen.

Also eine kurze Recherche, wie groß der Umweg ist, um doch noch an meinem Ziel anzukommen.

Ich merkte schon, wie das Nervositätslevel dann doch ein wenig. Ab jetzt nochmal 80 km und 1000 Höhenmeter. Könnte in 4-5 Stunden hinhauen. Heißt Ankunft zwischen acht und neun pünktlich zum Sonnenuntergang. Das sollte doch irgendwie machbar sein. Doch dass dieser Plan aufgeht, muss jetzt alles richtig laufen. Bisher hatte ich schon 80 km und 2700 Höhenmeter mit meinem schweren Bock in den Beinen. Es fühlte sich verrückt an, jetzt noch mal so eine Tour hinten dranzuhängen, da das für sich selbst schon eine Tagestour wäre.

Ein großer Unterstand, an dem ich mit Komoot die Tour plante, wäre eigentlich ein perfekter Ort gewesen, um im Trockenen das Zelt aufzustellen und gegebenenfalls sie nach zu verbringen. Um 16:00 Uhr bereits zu sagen: „Ich fahr nicht mehr weiter“, machte aber absolut keinen Sinn.

Ich hab mich also entschieden, weiter zufahren. Noch kurz eine Banane zwischen die Zähne und ein paar Schokoriegel und ab dafür. Vielleicht kann ich ja ein paar Telefonate auf dem Rad führen, um etwas meinen Puls durch ablenkende Gespräche zu senken. Das hat auch gut funktioniert.

Vielleicht ist es hier die richtige Stelle zu erwähnen, dass seit der Abfahrt von dem höchsten Punkt der Tour, dem Pass, meine Vorderradbremse nicht mehr funktionierte. Nicht gerade Bedingungen, die mich in Sicherheit wiegten. Nachdem es dann aber doch ziemlich viel bergab ging und meine Hinterradbremse heiß lief, nahm ich mir die 20min um wieder beide Bremsen funktionsfähig zu haben.

Wie froh ich in diesem Moment war, dass ich am vorherigen Tag einen neuen Mantel auf mein Hinterrad gezogen hab, nachdem die Dichtungssalami zum dritten Mal sich aus dem Mantel gedrückt hat.

Als dann doch wieder etwas Zivilisation auf meiner Umwegsroute einkehrte wurde ich dann beruhigter, dass ich mir auch noch mal einen kurzen Stop mit dem übrigen Brot und Vielvölkerreich Erdnussbutter gönnte.

Um ähnlich zu sein, konnte ich diese 80 km trotz einer wirklich beeindruckenden Landschaft nicht so richtig genießen. Trotz alledem war es ein wahnsinnig toller Tag. Und am Ende des Tages kann man doch stolz zurückschauen. Doch das sollten nicht alle Herausforderungen des Tages gewesen sein.

Als wäre der Tag der Meinung, mich von seiner Ironie noch nicht überzeugt zu haben, zeigte er mir 800 m vor Erreichen meines Ziels, dass er diese sehr gut beherrscht. Die breite Autobrücke welche mich über den Fluss nach Meteora führen sollte schien gesperrt zu sein. Für Autos offensichtlich. Aber eine Sache die ich bereits an diesem Tag gelernt hatte… das scheint dann wohl auch für Fahrräder zu gelten. Am Ende der Brücke waren über hüfthohe Betonblöcke aufgestellt, welche ein Weiterkommen definitiv verhinderten und mein Rad zu schwer ist, um es darüber zu heben.

Also hieß es kurz vor Erreichen des Ziels, noch mal alle Taschen vom Rad ab, über diese drecks Dinger, Fahrrad und Taschen heben, zusammenpacken und ab bis zum Campingsplatz.

Mit untergehender Sonne traf ich ein. Begleitet von diesem wirklich extrem beeindruckenden Anblick der Meteora Berge, welche kleine Steinkloster auf deren Rücken tragen.

Eine Dusche ist ausgefallen weil ich schnell etwas zu Essen brauchte. Eine Katzenwäsche, Zeltaufbau und 2 km Fußweg ins Dorf hatte ich nach ein paar geschlossenen Küchen, da es bereits 21:30 Uhr war, ein Restaurant gefunden, welches noch ein paar Sachen für mich zubereiten würde, da dort eigentlich auch schon die Küche geschlossen war. Ich nahm alles, was er aufzähle, was er noch machen könnte. Spaghetti Bolognese, Meatballs und Tzaziki. Als ich am Ende bezahlen wollte war der Herr, welcher mir die Rechnung gemacht hat, etwas überrascht und meinte, dass Radfahren sehr teuer sei, wenn man jeden Tag so viel isst. Da er selbst Radfahrer sei, hatte er sich sehr verständnisvoll gezeigt. Er zwinkerte mir zu und tippte eine Zahl in das Kartenbezahlgerät ein, welche die Hälfte meiner eigentlichen Rechnung war und sagte „that is fine“.

Bevor ich meine Augen an diesem Tag schloss, habe ich mich mit einem Bier, welches ich auf dem Heimweg noch von einem Bäcker zu meinem Brot dazu geschenkt bekommen habe, vor mein Zelt gesetzt und den Tag revue passieren lassen. Auch wenn ich mich damit wieder und wieder wiederhole.

Es ist so genial auf Reisen zu sein und all das erleben zu können.

Am nächsten Tag war in Griechenland orthodoxes Ostern. Nehme ein Lamm, spieße es auf und drehe es für ein paar Stunden über dem Feuer, dann hast du schon das wichtigste, was ein griechisches Osterfest ausmacht, getan. Hin nahezu jedem Vorgarten sah man mindestens ein Tier, sich über dem Feuer drehen.

Achja und dann dieses Meteora welches ich mir dann am folgend Tag angeschaut habt. Einfache sehr beeindruckend was ich dort zu sehen bekam.

Noch was…

Ein kleines Geheimnis teile ich noch. Die letzten Meter eines langen Tages auf dem Rad können manchmal die härtesten sein. Ich habe eine kleine Playlist welche ich schon öfter auf den letzten 5 – 10 km angemacht habe und bin jedesmal erstaunt welchen Schub diese eigentlich nicht sonderlich gute Musik, mit der ich persönlich aber Erinnerungen verbinde, geben können. So „ let’s get nutty“ and „jump da fuck up“

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Kommentare

3 Antworten zu „Ich wollte Berge, ich bekam Berge“

  1. […] nah an der Vikos-Schlucht verbracht habe, war nur der erste Tag voller schöner Bergeindrücke (HIER kannst du auch über meinen lange Tour durch die griechischen Berge […]

  2. Hoddi

    Oh wie geil
    Chapo
    !!!
    Die Playlist ist bestimmt was für deine Mutti
    !👍👋

    1. 😂 ganz bestimmt 🙂