Schritt für Schritt durch die Türkei

Antalya und somit die südliche Küste der Türkei habe ich vor einigen Tagen verlassen. Der Schwenk weg von der Küste in Richtung Nord/Ost lies mich mein großes Ziel Georgien, hinter all den Bergen und viele Kilometern die noch vor mir liegen, schon irgendwie fast am Horizont erkennen.

Der erste Tag konnte vom Kontrast ja fast nicht größer sein. Nach dem Verlassen des Stadtkerns der Multimilionenstadt Antalya, reihten sich über viele viele Kilometer ein All-inclusive Hotel nach dem anderen entlang der Küste. Mein Weg, der mich meist auf der Rückseite dieser Komplexe entlang führte, zeigte mit ein Bild, wie verrückt und pervers dieser Tourismus sich in diese Gebiete niederlässt. Wenn ein Blick über die Mauern oder durch die Zäune möglich war, so zeigte sich eine ständig bewässerte und hoch luxuriöse Welt. Auf der anderen Seite der Mauer sehr viel Müll, Trockenheit und kein Lebensraum für Mensch und Tier. Das nachstehende Bild zeigt das nicht wirklich… Aber glaub mir…

Nach ca. 40km durch diese Welt bog ich Richtung Norden ab, um die Bewältigung der dann vor mir liegenden Berge zu beginnen. Einer meiner wärmsten Tage hatte ich mir für diesen Anstieg ausgesucht. Die Hitze macht mir meist nicht so viel aus. Als an diesem Tag die Nachmittagshitze aber deutlich über 40°C im Schatten stieg, ging diese mit Schwindel, (komischerweise immer nur wenn ich anhielt) Übelkeit und Schubhemmungen in den Beinen, nicht ganz spurlos an mir vorbei. Ich hatte kein festes Ziel für diesen Tag gesetzt. Als ich dann aber gegen 18:00Uhr ein kleines Bergdorf erreicht hatte, welches sogar eines dieser Mini-Märkte hatte in denen es Kekse, Brot und Getränke zu kaufen gibt, entschloss ich: „ich fahre heute keinen Meter mehr weiter“. Der Inhaber, welcher mir von meiner Idee, mein Zelt in einer Ecke des teilüberdachten Markplatzes aufzustellen, wegen zu vielen „dicken schwarzen“ Schlangen und Skorpionen abriet und ich seine Idee, 35km weiter steil Bergauf oder wieder 15km zurück zurollen, ablehnte, zeigte mir dann nach Rücksprache mit seinem Kumpel eine Art Abstell-/Feierraum in der angrenzenden Moschee. In seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er unsicher war, ob er mir diesen Raum wegen seiner spärlichen Ausstattung anbieten könne. Als ich über beide Backen grinsend ihm vermittelte, dass dieser Raum für mich perfekt sei, waren wir beide glücklich. Ich hatte ein Klo, Wasser und einen sicheren und trockenen Raum für die kommende Nacht. Denn um ehrlich zu sein, ich war fix und fertig.

Mit einem Stückchen Käse, welches ich noch auftreiben konnte, pimpte ich meine Nudeln mit Oliven noch auf und ging früh schlafen.

Wissentlich einen weitern heißen Tag mit vielen Höhenmetern vor mir, startete ich früh in den Tag, mit einer nicht 100%igen Überzeugung, ob ich die Tour wie geplant durchziehen werde. 1000 hm ging es erst mal hoch und ja, diesen Vormittag konnte ich wirklich genießen: Berge hochdrücken, für mich neue Natur und wunderbare Aussichten, einen guten Podcast auf den Ohren (Empfehlung: Hotel Matze: Chilly Gonzales – Wie vereinst du deine Persönlichkeiten?).

Nach dem ersten langen Anstieg und 30 km in den Beinen, sollte es dann eine Mittagspause an einem einsam gelegenen Restaurant mit Gözleme und Ayran geben.

Şahin, der mit seiner Cousine Özmir, den noch teils im Aufbau befindlichen Laden führt, fragte mich, während ich meinen Gözleme aß, ob ich in der Höhle, mit dem drittgrößten Höhlensee der Welt im Nachbardorf war. Ich müsse mir das anschauen.

Sinngemäße Unterhaltung, im Original mit Händen, Füßen und google Translate:

Ich: Wenn ich das mache, dann erreiche ich mein Tagesziel heute nicht mehr
Şahin: Warum?
Ich: Es ist weit.
Şahin: Wo willst du hin?
Ich: Beyşehir
Şahin: Das ist sehr weit, geh in die Höhle.
Ich: Dann brauch ich aber einen Plan wo ich heute Nacht schlafe.
Şahin: Zelt?
Ich: ja
Şahin: Schlaf hier, du bekommst meinen Roller, damit kannst du zur höhle fahren.
Ich: Ehm…. ok. Das wäre super.

Also king es nach einem Çay mit dem Roller zu Höhle. Ok, ganz so extrem spektakulär war es nicht, wenn man beispielsweise mal in den verschiedenen Höhlen in Slowenien oder der Slowakei gewesen ist, aber alleine schon die Fahrt durch die Schlucht dort hin war es definitiv wert. Dieses bedingungslose Vertrauen und Entgegenkommen von Şahin, hat mir also einen wunderschönen Nachmittag an dem ich der Hitze und dem vor mir stehenden Anstieg auf dem Rad entfliehen konnte, ermöglicht. Auf dem Rückweg, auf dem ich noch von einem Dorfbewohner verbal vom Roller gerissen wurde, weil er mir sein wunderschönes traditionelles Haus zeigen wollte und dabei auch noch urplötzlich ein von seiner Frau gekochtes Mittagessen vor mir stand, habe ich ein weiteres mal realisiert, wie viel Glück ich habe und wie gut es mir auf dieser Reise ergeht.

Neben dem kleinen Schwimmbecken neben dem Haus, welches von einer kleinen Bergquelle gespeist wird, habe ich bei einem Kaffee, von Özmir eine kleine Türkischsprachstunde bekommen. Nach einer Abkühlung im Becken und dem Aufbauen meines Zeltes, ging es an die Vorbereitung des gemeinsamen Abendessens, zu welchem ich gemeinsam mit den beiden Töchtern von Özmir eingeladen wurde. Ab einem gewissen Punkt der Abendessensvorbereitung blieb mir nur noch die Aufgabe der musikalischen Unterhaltung, welche ich mit Gesang und einer Gitarre, die in der Ecke stand, gerne übernahm.

Als ich dann die Gitarre in die Hand nahm und anfing zu spielen, wie auch zu singen, wurde ich von den Augen der Tochter von Özmir durchgehend angehimmelt und mit einem sehr schmeichelnden Lächeln immer wieder zum Weiterspielen animiert.

Anschließend haben wir draußen auf dem Boden sitzend ein wundervolles Abendessen zu uns genommen.

Nach dem Essen gab es dann die Situation, dass mir sehr ausdrücklich gesagt wurde, dass der Sohn von Şahin, die Tochter von Özdemir, welche mich beim Gitarrespielen und während des Abends angehimmelt hat, ich aber nicht erwiderte, in ein paar Jahren heiraten wird. Nach weiteren türkischen Worten die ausgetauscht wurden, hat mir die Tochter Bilder ihres Freundes auf Instagram gezeigt. Es kam mir ein wenig fremd vor, dass mir sehr nachdrücklich gezeigt werden musste, dass diese Frau (ich schätze zwischen 17 und 20 Jahre alt) vergeben ist. Der Abend verlief noch sehr entspannt und freundlich und ich genoss es, in diesem sehr familiären Umfeld den Abend sowie den Tag verbracht zu haben.

Am nächsten Morgen machte ich mich dann früh auf die restlichen 100 km des Vortages nach Beyşehir.

Das war einer dieser Tage, an denen man keine Musik und kein Podcast auf den Ohren benötigt, weil man alleine zum Gucken und Bestaunen, der Natur so beschäftigt und beeindruckt ist. In einer Höhe von über 1400 m war die Schildkröte nicht das erste Tier, an das ich dachte, dass ich es zu sehen bekäme. An diesem Tag habe ich sehr sehr viele Schildkröten in unterschiedlichsten Größen am Straßenrand oder die Straße kreuzend gesehen. Das gepaart mit der wirklich auffällig hohen Anzahl an verschiedenster Schmetterlingen und der prägnanten Einsamkeit und diesem unbekannten Gebirge um mich herum, hat sich das wirklich angefüllt wie ein kleiner Ausflug in eine andere Welt.

Ich merke, wenn ich die Berge hier oben betrete, in denen die Zivilisation doch sehr spärlich ist, dass meine Sinne sehr viel geschärfter sind. Jedes Rascheln im Busch wird anders wahrgenommen, und jedes Reflektieren einer Glasscherbe oder was es sonst sein mag, sticht mir sofort ins Auge. Ich bin definitiv angespannter, im Sinne, dass ich das einfach intensiver wahrnehme.

Auch wenn ich es für mich selbst immer mit den Worten kleinrede: letzten Endes stehe ich morgens auf, frühstücke, fahre, abends baue ich mein Zelt auf, esse und das alles wieder von vorn, so merke ich an diesen Momenten, dass es doch eine größere Sache zu sein scheint, welche ich hier unternehme. Es ist ein/mein kleines Abenteuer.

Nicht zu spät am Tag in Beyşehir angekommen, erwartete mich eine kleine Überraschung. Erwartet habe ich eine warmshowers-Unterkunft. Bekommen habe ich eine kostenlose Nacht in einem recht ordentlichen Hotel und einen echt netten Abend mit ein paar weiteren Radreisenden.

Die Stadt hat wegen verschiedener Industrie (hauptsächlich Waffenproduktion 😬) recht viel Steuereinnahmen, der Herr vom Tourismuszentrum der ein Teil dieses Geldes verwaltet, hat entschlossen, dass jeder warm-Showers Gast eine erste Nacht im Hotel bezahlt bekommt. Was ein Luxus.

Den Abend haben wir am Beyşehir-See ausklingen lassen, bevor es in ein gutes und riesiges Bett im Hotel ging.

Die Hitze der vergangenen Tage hat mir doch einiges abverlangt. Eigentlich lasse ich keine Wasserquelle aus, um aufzutanken. Meine Strategie ist es morgens schon mal mindestens 1.5 bis 2 Liter Wasser zu trinken, bevor ich auf‘s Rad steige. Nach der Erfahrung an einem Tag, an dem ich eigentlich ständig am ganzen Körper angefangen habe zu krampfen, habe ich ab mittags in einer Flasche immer Salzwasser und schaue auch, dass ich abends am besten viel salzigen Käse esse. Das scheint zu funktionieren 🙂

Die nachfolgenden Tage waren auch sehr aufregend. Einige Bekanntschaften, mein bevorstehender Geburtstag, den ich gleich zweimal feiern konnte und tatsächlich mit bekannten Gesichtern und dann noch dieses beeindruckende Kapadokien mit seinen Heißluftballons. Das werde ich noch nachreichen.

Nun bin ich so ziemlich in der Mitte der Türkei und habe nach wie vor noch einen langen Weg vor mir durch diese große Türkei. Keep rolling! Stay nutty!

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