იცხოვრე და აცხოვრე in Georgien

Am 23.06. und somit auf den Tag genau drei Monate nach meinem Aufbruch am 23.03. in Darmstadt auf dem Weg nach Georgien, habe ich die georgische Grenze überrollt. Eigentlich ein Tag wie jeder andere Rolltag meiner Reise. Auch wenn dieser Tag landschaftlich wirklich schön angefangen hat (lies hier doch mal nach) und dann auch direkt mit einem Platten begonnen hat. Ohne dass der Gedanke in den vergangenen 3 Monaten zu sehr präsent gewesen wäre, so war es doch das ausgeschriebene Ziel, diese Grenze irgendwann zu erreichen. So geschah es also und ja es fühlte sich sooo gut an.

Nachdem mich die Türken, aus meiner Sicht, in reiner Schikane, an der Grenze meine Taschen doch wirklich haben ausräumen lassen, wurde ich an der georgischen Grenze direkt mit diesen nicht mehr lesbaren Schriftzeichen und einem mich anlächelnden Grenzbeamten empfangen. Eventuell konnte man angesichts der Mischung aus emotionaler Ergriffenheit, Vorfreude in dieses Land zu rollen, Verstrahltheit und salzigem Sportgeruch, welche ich ausstrahlte, wohl auch nichts anderes als ein Schmunzeln, auf den Lippen haben. Mit einem leichten Akzent, aber in deutscher Sprache verabschiedete der Beamte mich mit den Worten „Willkommen in Georgien“.

Den Prozess sich in einem neuen Land zurechtzufinden, also die Sprache, die Währung, die Mentalität und all die vielen Kleinigkeiten, die in jedem Land anders ist, kennenzulernen, übte ich auf dem Weg von Deutschland nach Griechenland ja schon fast wöchentlich. Nun fühlte es sich so an, als wäre ich schon wieder aus der Übung. Unter der Gewissheit, dass das schon irgendwie hinhaut und die Gier nun weiter zu rollen, trieben mich weiter an. Eine Region in den Bergen, hatte ich mir für diesen Tag rausgesucht, wo ich dachte, dass ich bestimmt einen Platz für mein Zelt finden werde. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich etwas aufgeregt war, da man ja nie weiß wie das nun in einem anderen Land so funktioniert.

Noch etwas mental benommen ließ ich die Grenze hinter mir und direkt nahm ich die ersten Veränderungen im Vergleich zu den türkischen Straßen, Menschen und der Umgebung war.

Ja, die Straßen und da wurde ich bereits gewarnt, sind in der Tat in einem deutlich schlechteren Zustand. Denn bereits kurz nach der Grenze war es das erstmal, mit einer geschlossenen Asphaltdecke.

Eine Einzelheit, die ich in meinem Rückblick über die Türkei vergessen habe zu erwähnen, aber wirklich ein dauerhafter Begleiter war, war der Geruch von Verwesung auf den türkischen Straßen. Viele viele tote Tiere liegen auf oder neben der Straße, von kleinen Vögeln, Schlangen, Schildkröten, Füchse, Katzen, Hunde, Dachse, Wildschweine und noch viele andere Tiere. Oftmals riecht man sie nur und sieht sie nicht. Ok, das war ich bereits, neben dem ganzen stinkenden Müll schon aus den Wochen zuvor gewohnt. Eine große Veränderung dieser Situation entstand jedoch durch die Bayram-Feiertage in der Türkei. Sehr üblich war es eine Kuh für diesen Tag zu opfern bzw. zu schlachten. Das Absurde daran ist, dass ab diesem Tag, besonders in der ländlichen Gegend haufenweise die Innereien unverpackt (und so eine Kuh hat viele große Organe in seinem Bauchraum) einfach so an den Straßenrändern in der Sonne lagen. Doch nicht nur das. Wirklich viele abgehackte Kuhköpfe, lose Beine und was sonst noch so nicht verwertbar ist, lag in rauen Mengen einfach so rum. Nicht dass der Anblick schon schlimm genug war, so wurde dieser Verwesungsgeruch mit jedem sonnigen Tag, der nach dem Bayram Fest verging, unerträglicher. Ich muss wirklich sagen, ich hatte zum Kotzen genug von diesem allgegenwärtigen Geruch.

Dieser Geruch und auch dieser viele Müll war also nach Überschreiten der Grenze nicht mehr vorhanden. Die wiederkehrenden Abschnitte, in denen ich die Luft anhalten musste, um nicht einen Würgereiz zu verspüren, blieben fortan also aus.

Zurück zu den schönen Themen. Meine Route führte mich schon schnell ab von dieser unasphaltierten Straße in die Berge auf Wiesenwege, die erstaunlicherweise wirklich als „Straßen“ in der Karte eingetragen sind. Trotz, dass ich nun schon einige Grenzen überfahren habe oder über Pässe in ein benachbartes Tal gefahren bin, entsteht immer wieder die Verwunderung wie sich die Umgebung doch so schlagartig ändern kann. Manchmal menschengemacht und manchmal durch die klimatischen Bedingungen, aber meist sind beide daran „schuld”. So sah ich hier also auf eine viel grünere und bergigere Landschaft. Die ersten sehr ländlich geprägten Siedlungen, die ich durchfuhr, waren recht simpel, rustikal und teils etwas heruntergekommen. Doch durch bunte Blumen oder Dekorationen ließ sich oft ein kleiner Hauch von bewusst eingerichteter Gemütlichkeit erkennen. Wo in der Türkei eine Moschee stand, war nun ein altes Steingebäude mit einem Kreuz zu sehen. Frauen in ländlichen Gegenden, für die es sich nicht schickte, mit mir oder ich mit ihnen in Kontakt zu treten, schauten nun auf wenn ich über die holprigen Dorfstraßen dopste, was mir und meinem Gegenüber auch manchmal einen kleinen Lacher entlockte.

An diesem ersten Tag in Georgien wollte ich bis nach Wardsia, einem Ort, an dem vor vielen Jahren Menschen Höhlen in die Steinwand geschlagen haben, kommen. Auf der 800hm langen Abfahrt auf einer gut holprigen Piste, in die Wardsia Schlucht, habe ich ein deutsches Paar in ihrem historischen Toyota land cruiser, dann in den vergangenen Tagen schon zum 3ten mal getroffen. Sie hatten Ihren Spaß auf dieser Off-road-Strecke und wir verabredeten uns an einem Ort, welchen sie für den Abend ein paar Kilometer weiter herausgesucht hatten, um dort zu übernachten.

Nach meinem ersten georgischen Kleineinkauf und dem Auffüllen meiner Wasserflaschen machte ich mich also auf zu einem Ort mit einer grandiosen Aussicht und netter Gesellschaft mit zwei Zweibeinern und einem Vierbeiner. Mit den 3 Reisenden, welche schon seit 2 Jahren mit Ihrem Fahrzeug unterwegs waren, konnte man also viele Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen über das Reisen austauschen und diskutieren, sowie meine erste Flasche georgischen Wein teilen.

Der Morgen startete mit einem leckeren Frühstück und dem Besuch einer Kuhherde inklusive deren beiden Hirtinnen mit denen sogar ein kurzes Gespräch mit ein paar englischen Vokabel möglich war.

Zwei Tagesetappen hatte ich nun vor mit, bevor ich Tbilisi erreichen sollte. In der Hauptstadt hatte ich eine Auszeit geplant und ich hatte schon vor ein paar Tagen gemeinsam mit meiner Reisefreundin Sophie, welche es trotz gebrochenem Arm bereits nach Georgien geschafft hat, ein AirBnB gebucht.

Viele Gedanken hatte ich auf meinem Rad während Tbilisi Meter um Meter näher kam.

Mit dem Übertreten der georgischen Grenze habe ich innerlich eine schlagartige Entschleunigung gespürt. Ich war recht gespannt, was das Ankommen in meinem Zielland Georgien mit mir und meinem Reisegefühl so anstellen würde. „Fahrrad abstellen und keine Lust mehr weiterzufahren“, „Es nicht wahrhaben wollen, dass es von nun an nur noch zurück Rollen sein wird“, „Einen Drang des Weiterfahrens verspüren”, “Einen großen Sog zurück in die Heimat verspüren”. All das und natürlich noch viele mehr waren und sind Möglichkeiten. Aber ich entschied mich meinem Gemüt noch ein paar Tage Zeit zu geben, sich zu entscheiden, in welche Richtung es gehen soll. Was ich merke ist, dass nun immer häufiger Gedanken an Zuhause aufkommen. Ja, ich habe sogar eine Liste angefangen mit Dingen, welche ich machen möchte, wenn ich zurück bin und worauf ich mich freue oder was ich eben auch vermisst habe. Diese Überlegungen haben nun einen Raum gefunden, den es zuvor wohl irgendwie nicht gegeben hat. Zwangsläufig werde ich mich mich auch mit dem Gedanken etwas mehr auseinandersetzen, wie mein Rückweg so aussehen wird. Gesetzt ist die Fähre (glaube ich), welche einmal die Woche von Georgien nach Bulgarien fährt. Die Buchung dieser wird mich noch ein vor eine Herausforderung stellen, wenn man den Worten, die man online so liest vertrauen kann. Denn sie ist definitiv nicht online buchbar ist und eigentlich auch nur für Trucker gedacht ist.

Ganz unerfahren, würde ich mich wohl in der Routenplanung und der Bedienung von Komoot nicht bezeichnen, nachdem ich doch bisher schon einige Tausend Kilomieter auf diese Art und Weise zurückgelegt habe. Doch irgendwie scheinen die Straßen in Georgien anders erfasst worden zu sein. Geplant war eine Tagesetappe von ca. 125km und 1700 hm. Schon eine guter Tag, angesichts des doch recht schweren Rads. Bis Kilometer 80, hatte ich nahe zu keinen Meter Asphalt dafür aber bestimmt schon 3 Stunden Schiebepassagen, weil das Geröll einfach zu groß war um darüber bergauf zu fahren. Egal wie… Ich wurde jedoch mit einer einsamen und tollen weitläufigen Berglandschaft belohnt. Da ich an diesem Tag auf über 2500m fuhr und schob, waren auf die Berge mit Schneefeldern schon zum Greifen nahe. Vereinzelt gab es in den Bergen ein paar Hütten in denen die Schäfer wohnten, welche ihre Herden in den bergen hielten. Auf Pferden und mit Hilfe dessen Hütehunden hielten sie die Tiere beisammen.

Auch wenn ich an diesem Tag mein angepeiltes Tagesziel, wegen des langsamen Vorankommens nicht erreicht habe, so habe ich trotzdem noch einen schönen Ort zum Übernachten gefunden. Neben einem etwas in die Jahre gekommenen Sowjet-Style Hotel konnte ich auf einer Wiese mein Zelt aufbauen und hatte abends auch noch ein nettes Bier mit ein paar Russen, die nun schon seit einiger Zeit Russland wegen der Situation dort verlassen haben. Russen, besonders Männer, um dem Kriegsdienst zu entkommen, habe ich in den paar Tagen schon viele kennengelernt. Auch wenn die Georgier zum größten Teil die Situation in Russland verstehen und daher den Grund, warum man das Land verlässt, so sind es doch sehr gemischte Meinungen darüber, ob sie gerne im Land aufgenommen werden oder nicht.

Der Folgetag wurde dann also etwas länger, als geplant, da ich an diesem Tag in Tbilisi ankommen wollte. Ein kommunistisches Haus in der Innenstadt mit toller alten Holzterasse zum Innenhof und einer ungewohnten Aufteilung von Bad und Küche, welche wohl in der Vergangenheit als Gemeinschaftsnutzung gedacht waren, sollte also für Sophie und mich die Unterkunft für die nächsten Tage sein. Zum 10ten mal haben wir uns nun auf unserer Reisen getroffen. Trotzdem immer noch besonders und vielleicht besonders deswegen, weil es das letzt mal für diese Reise gewesen sein mag.

Die Stadt ist eine Mischung aus Kommunismus, Jugendstil, Wahllosigkeit und einem allgemein sehr ausgeprägten Charm der durch teils alte fast schon zerfallenen und provisorisch reparierte Gebäude bestimmt ist. Und eine moderne Stadt, in der man öffentliche Verkehrsmittel einfach mit kontaktloser Zahlung durch die Kreditkarte im Bus oder Bahn pauschal unabhängig der Fahrtstrecke (1.5 Lari = ca. 50 Cent) zahlt, in der es endlich wieder guten Kaffee gibt, in der die meisten Menschen scheinbar mehr von Mode verstehen als ich es je in der Lage sein werde, in der es viel Essen gibt, dass ich auszuprobieren hatte (alles habe ich bestimmt nicht geschafft), in der sehr viele riesige alte Bäume in den engen Straßen oder in den Parks stehen und eine Stadt, die irgendwie einen Hauch des Irrealen in der Luft hat. Kurzum eine Stadt, die umzingelt von hohen Bergen, es einem leicht macht, für ein paar Tage die Füße hochzulegen und sich einfach in dessen enormer Vielseitigkeit treiben zu lassen.

Den Aufenthalt in Tiblisi und unserer schöne Terrasse habe ich auch genutzt, um mal wieder etwas Radwartung zu betreiben. Kette Nr. 3 wurde nun aufgezogen und ein ganz leichtes Knacken welches ich im Tretlager vermutete, habe ich versucht, durch Nachfetten von Kurbel und Lager zu beseitigen… doch leider war es das dann wohl doch nicht.

Nach ein paar entspannten, leckeren und abwechslungsreichen Tagen in Gesellschaft mit Sophie war es dann an der Zeit die Stadt zu verlassen. Über ein paar Ecken in Deutschland habe ich eine Einladung zu einer Familie auf dem Land etwas süd-westlich der Stadt erhalten. Dort rollte ich also hin. Beim Verlassen der Stadt, kamen mir total unerwartet zwei bekannte Gesichter entgegen. Zwei Radreisende aus Holland, welche ich das letzte mal auf der Fähre von Griechenland in die Türkei getroffen habe, also vor ca. 5 Wochen.

Eine kleine Aufklärung der georgischen Worte im Titel dieses Beitrags ist wohl noch offen.

იცხოვრე და აცხოვრე

Diese ist eine sinngemäße Übersetzung der Worte „leben und leben lassen“, die Friedrich Schiller geprägt hat oder auch im Ersten Weltkrieg als Prinzip des bewussten Absehens von Gewalt definiert wurde. In Tbilisi habe ich mir ein Silberarmreif mit diesen georgischen Worten anfertigen lassen, um ein Andenken für meine Reise zu haben.

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Kommentare

6 Antworten zu „იცხოვრე და აცხოვრე in Georgien“

  1. Günter

    Es ist wieder erfrischend von deinen Reiserfahrungen zu lesen. Gutes Gelingen für deine weitern „Erfahrungen“.

  2. Hoddi

    Da ich jetzt wieder im Besitz eines Handys bin konnte ich mir gottlob diesen tollen Bericht anschauen.
    Alles Gute auf deiner Weiterreise und genieße den Donauradweg.
    Der ist wohl hoffentlich einigermaßen fahrbar.
    👋🚴‍♀️☘️

  3. Papa

    Ach Simon, Deine Berichte sind sooo schön. Danke, LG

    1. Vielen Dank. Das freut mich dass sie dir gefallen

  4. LႮႺႺI

    Wieder mal richtig schöne Fotos – danke fürs Teilen!
    ღeჟa ⴖiⴀe

    1. Eigentlich würde ich gerne noch viel mehr Zeit in die Fotos stecken, aber so richtig zum Nachbearbeiten komme ich gar nicht. Freut mich, dass dir die Fotos gefallen.