Georgien im Zeichen der Gesellschaft und des Weins

Nachdem ich Tblissi verlassen habe, steuerte ich also auf Bolnissi zu. Über ein paar Ecken in Deutschland, habe ich dort eine Einladung erhalten.

Auch wenn es eine Einladung war der ich folgte, so hatte ich wirklich garkeine Ahnung wer und was mich da nun erwartete. Umso spannender die ganze Sache also. Nach anfänglich recht großen Verständigungsproblemen, die wir dann doch irgendwie im Laufe der Zeit minimiert haben, empfing mich in einem kleinen Dorf neben Bolnissi, Medea, die Oma der Familie. Einen Kaffee und ein paar Snacks hatte ich nach meiner Ankunft schnell auf dem Tisch stehen. Die Tochter Nilo die etwas Deutsch sprechen kann und zu der ich zuvor bereits etwas Kontakt via WhatsApp hatte, käme später auch noch vorbei. Der Opa Mevludi der Familie kam kurz darauf auch von der Dialyse nach Hause. Als es dann langsam dunkel wurde auf diesem kleinen Bauernhof, mit 3 Schweinen, einer Menge Hühner, Wein, viel eigenem Gemüse und einer mich herzlich, ohne mich zu kennenden, willkommen heißenden Familie, wurde ich an den Esstisch der Küche gebeten, der sich vor meinen Augen gefühlt endlos begann zu füllen. So wie ich den folgenden Tagen erkannte, ist Medea eine hervorragende Köchin und verbringt viele Stunden, oft spät bis in den Abend in der Küche mit Kochen und Backen.

Alle am Tisch und bereit mit diesem riesigen Mahl zu beginnen, schaute mich Mevludi mit einem fragenden Blick an, während er mit Daumen und Zeigefinger sich den Kragen rieb. So wie ich lernte, die Geste mit der man andeutet, dass man „etwas“ trinken möchte. Ich nickte also. Ich bekam meinen ersten georgischen Chacha. Einen Weinbrand, der mit ein paar Gewürzen und den inneren Trennwänden von Walnüssen angesetzt wird. Ich glaube es in den Augen von Mevludi erkannt zu haben, dass es ihn schmerzte selbst keinen trinken Chacha trinken zu können/dürfen. Umso mehr sorgte er auf seine simple und schroffe Art dafür, dass ich nicht zu wenig an diesem Abend und jedem weiteren Mahl, egal ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen seines hausgemachten Chachas trank.

Ein wenig hat es gedauert, bis Medea es verstanden hat, dass ich so sehr interessiert daran bin, wie und was sie kocht. Erst als ich ihr Fotos auf meinem Handy, meiner ausufernden Kochaktionen, welche ich regelmäßig in meinem Bauwagen habe zeigte, verstand sie, dass ich es wirklich wissen will, weil ich gerne koche. Immer wenn sie von nun an während der folgenden 3 Tagen meines Aufenthalts, etwas in der Küche zubereitete, was sie meinte dass ich es sehen müsse, schrie sie durch das gesamte Haus „SIMON“ und ich kam angerannt, um gezeigt zu bekommen, wie sie z.B. den Teig für die Khachapuri machte oder wie sie die Mischung für ihre gefüllten Kohlrollen ansetzt.

Die Kleinstadt Bolnisse welche in der Vergangenheit auch den Namen Katharinenfeld trug, da sie Anfang des 19. Jahrhunderts von Deutschen besiedelt wurde, ist in einem Teil durch seine deutschen Fachwerkgebäude geprägt. So entstand auch ein schön renoviertes Deutsch-Georgisches Weinhaus. Ai, da muss der Simon doch auf jeden fall hin. Meine ersten tiefergründigen georgischen Weinerfahrungen, begleitet von einer kleinen Weinprobe später, war ich also schon wirklich recht zufrieden, was dieses Land an Wein zu bieten hat.

Allem in allem, war es wohl das enorm gute Essen, das sehr heimelige Gefühl und ein klein wenig das bevorstehende schlechte Wetter, was mir die Entscheidung sehr sehr leicht machte an diesem Ort eine Nacht länger zu bleiben als ursprünglich geplant. Dies bescherte mir einen Ausflug mit Nilo und ihrem Sohn zu einen paar sehenswerten Orten in der Umgebung, wie zum Beispiel die älteste georgische Kirsche (5. Jahrhundert).

Irgendwie tauchte immer mal wieder jemand auf, der mich kurz abholen wollte, um mir etwas zu zeigen, oder einfach nur ein paar Worte zu tauschen, was natürlich im übertragenen Sinne gemeint ist. So kam ich auch in den Genuss eine weitere Weinprobe in einem deutschen Weinkeller zu haben. Ebenfalls konnte ich Mevludi ein wenig in den Weinreben helfen, was sich vorhersehbar in der Bestärkung seiner Zuneigung mir noch mehr Chacha ausschenken zu wollen, niederschlug. Ach ich fühlte mich doch recht wohl an diesem Ort.

Da mein Fahrrad, das zulässige Gesamtgewischt nicht überschreiten sollte, war es keine einfache Aufgabe Medea davon zu überzeugen, dass ein Liter Chacha sowie all die anderen Dinge die sie schon für mich gepackt hatte und ich bestimmt eine Woche davon hätte leben können, selbst wenn ich nichts anderes gegessen hätte, auf die leckersten und leichteren Dinge zu reduzieren. Ok, ganz gemeistert habe ich diese Aufgabe nicht. Es ist bei 0,5L Chacha und einiges an Fressalien geblieben. So richtig nach einer gescheiterten Aufgabe hat es sich aber auch nicht angefühlt.

Ob der Frühstückstisch immer mit eigentlich allem was so verfügbar ist, also auch gebratenen Fleisch und anderen wirklich deftigen Dingen, gedeckt ist, oder nur für mich am Morgen meines Aufbruchs so reichhaltig gedeckt wurde, konnte ich nicht klären. Den Chacha konnte ich am Morgen meiner Abreise erfolgreich ausschlagen, auch wenn er sicherheitshalber mehrmals ein paar Zentimeter nähern an meinen Teller gerückt wurde.

Eine nette Familie, wertvolle Erinnerungen und eine tolle Zeit lies ich also hinter mir, als ich mich auf die weiteren zwei Etappen bis zu meiner nächsten Destination in die Nordöstlichen Weinregion Kakheti aufmachte.

Georgien ist im Grunde ein recht kleines Land, um so mehr beeindruckend wie vielfältig die Natur sich auf so kleinem Raum so unterschiedlich gestalten kann. So rollte ich an diesem Tag durch eine steppige Hügellandschaft. Für viele Kilometer rollte ich über Schotterpisten durch das Grenzgebiet zu Aserbaidschan entlang der Grenze, die von militärischen Geländewagen dauerhaft patrouilliert werden. Wie in vielen Nächten auf meiner Reise, so habe ich auch an diesem Abend vierbeinige Freunde gemacht. Oft passiert es dann, dass man ziemlich schnell in das Rudel der Hunde aufgenommen wird und diese dann in der Nacht, während ich im Zelt liege, anderes Gefiesch mit ihrem Gebelle abwehren. Naja, manche Nächte lässt einem genau dieses Rumgeplärre auch nicht schlafen. Doch diese Nacht war relativ ruhig.

Gut erholt und mit Vorfreude und wissentlich einen weiteren durch viel Natur geprägten Tag vor mir zu haben, schwang ich mich am nächsten Morgen auf den Bock und es ging weiter in den Norden Richtung Berge und Wein.

Über eine Bekannte, die einige Personen in Georgien kennt, habe ich gefragt, ob sie jemanden kennt, der/die eigenen Wein macht kennt, wo ich ggf. mal vorbeischauen könnte, um etwas über den georgischen Wein und den vermeintlichen weltweiten Ursprung von Wein zu lernen und zu erfahren. Ich habe nicht abschätzen können, was ich damit losgetreten habe.

So habe ich mich auch erst kurzerhand entschlossen, der Einladung von Shavlego zu folgen und keineswegs habe ich es bereut. Empfangen wurde ich direkt mit ein paar Naschereien, so würde man glaube ich in Georgien sagen. In Deutschland würde man es einen vollen Tisch voller Essen nennen. Shavlego hat mich sehr liebevoll empfangen und mir wirklich jeden Wein, den sie gerade in den Fässern liegen hatten probieren lassen und nicht nur ein kleines Gläschen. Geändert hat die Tour mit Chacha, dem Weinbrand. Die Haselnuss-, Wein- und Obstplantagen habe ich auch noch gezeigt bekommen. Zum Abendessen gab es neben einem Tisch voll mit Käse, Salat, Brot, Rührei und eine Pflaumen-Knoblauch-Sauce (ja diese ist wirklich erwähnenswert), eine Rinderinnereien Suppe, die wohl sehr speziell für diese Gegend sei und überaus gesund ist. Und ja sie war speziell, sehr fettig, viele Dinge, die ich nicht zuordnen konnte, welche in der Suppe schwammen. Aber war doch eigentlich recht lecker, in dem Innenhof, in dem auch Kiwis und Wein wuchsen. Der Vater eine offensichtliche Arbeitsgewalt, war ein recht stiller, aber netter Mensch. Es schien so, als sei er sehr stolz mich als Gast haben zu dürfen und bei jedem weiteren Glas, und fast jedem Schluck sprach er einen Tost aus, den ich übersetzt bekommen habe. Es ging über Gott, die Familie, den Wein, meine Reise, das Essen, unsere Zusammenkunft und ja, es waren viel Tosts.

Die nächste Einladung die ich erhielt war nur zwei Dörfer weiter, bei einem sehr großen Weingut. Gerade bin ich in dieses Dorf eingerollte, da schoss es mir den Stopfen aus meine Tube-Less Hinterrad, mit welchem ich ein Loch ein paar Tage zuvor geflickt hatte und ich stand da, mit meinem platten Hinterrad. Ich habe mich also entschlossen meinen Ersatzmantel den ich noch bei mir hatte draufzuziehen. Schnell hatten ich helfende Hände um mich versammelt. So wurde ich sogar kurzerhand mit meinem Hinterrad in ein Auto gesetzt und zum nächsten Reifenhändler gefahren, dass ich den Reifen nicht mit der Hand aufpumpen musste, während eine weitere Person an meinem Fahrrad und all meinem Hab und Gut, zur Schmiere abgerichtet wurde, meine Sachen im Auge zu haben. Auch wenn die Georgia in der ersten Kontaktaufnahme meist echt ziemlich muffelig und unfreundlich wirken, sind sie, nachdem man die erste Hürde genommen hat noch viel mehr aufgeschlossen, hilfsbereit, warmherzig und extrem gastfreundlich.

Es war Gogi, der auf mich am Weingut Kidzmarauli wartete und es sich nicht nehmen lies, mir persönlich eine Privatführung über das gesamte Gelände und durch all die Weinkeller zu geben. So konnte ich einiges mehr über die traditionelle Herstellung des georgischen Weins mit sehr viel Detail erfahren. Der georgische Weißwein ist golden. Da der Saft der Trauben gemeinsam mit deren Schalen in im Boden eingelassene Tongefäße ca. ein halbes Jahr verweilt und durch einen Absetztprozesses eine natürliche Filterung des Weins entsteht. Ebenfalls nimmt der Wein in diesem Prozess viel Tanin auf, was sehr typisch für den georgischen Weißwein ist und ihn geschmacklich wirklich besonders formt. Für Alle die mehr darüber lesen wollen hier habe ich eine schöne Übersicht gefunden (https://www.vinaet.de/2023/06/11/georgien-der-ursprung-des-weins-seit-mindestens-11-000-jahren/)

Gogi, der sich neben der Arbeit bei Kidzmarauli auch selbstständig machen möchte, ist dabei ein kleines Haus zur Weinprobe und auch Weinherstellung zu bauen. Auf dieser Baustelle konnte ich für diese Nacht mein Zelt aufschlagen.

Auf meiner Liste für Georgien standen noch die Berge. Irgendwo hochstrampeln sollte also mein nächstes Ziel sein. Optionen hatte ich viele im Kopf. Meine Entscheidung ist auf Kazbegi gefallen. Ein Bergdorf welches nur über den sogenannten Military Highway zu erreichen ist. Dieser Name kommt daher, da in der Vergangenheit über diese Straße viele militärische Fahrzeuge von Russland nach Georgien und umgekehrt gefahren sind. Heute ist es eine Bergstraße welche die schnellste Landverbindung zwischen Georgien und Russland darstellt und somit von sehr vielen Trucks befahren wird, auch wenn sie eigentlich viel zu eng und kurvig für Truck ist. Wird schon irgendwie passen dachte ich mir.

Zu diesem Zeitpunkt war ich nun schon ca. 2 Wochen in Georgien. Im großen und ganzen habe ich das etwas entschleunigte Reisen doch sehr genossen. Nach einer kurzen Warmwerdephase mit den Georgiern, die manchmal einfach sehr verschlossen sind, was z.B. zeigt, dass man wirklich oft nicht zurück gegrüßt wird und nur ein emotionslosen fast schon abwertenden Blick zugeworfen bekommt, empfand ich die Kultur als Reisender sehr angenehm, weil man auch einfach seine Ruhr hatte.

Manchmal sitze ich Abends da und scrolle ein bisschen stumpf über meine endlosen Fotos welche ich in den letzten 3 Monaten auf meiner Reise geschossen habe. Gut, dass diese existieren, und oft kommt ein ehrfürchtig erschrockenes Gefühl in mir auf, was ich alles erlebt habe. Viele dieser Dinge, vorallem die kleinen besonderen werde ich wohl nie mit einem anderen Menschen wirklich teilen können, weil sie einfach nicht beschreibbar sind und so unzählbar und unerzählbar viele sind. Am Ende sind es, so glaube ich, aber genau diese und nicht die großen Momente, die für mich diese Reise ausmachen. So mitten drin in der Reise, wo ich mich momentan noch befinde, wird es auch einfach nicht möglich sein das alles zu fassen. Ich bin jetzt schon gespannt wie es sein wird, wenn ich die Zeit habe das alles retrospektiv durchzudenken und auf mich wirken zu lassen.

Was ich hier aus meiner Sicht nicht ausreichend viel erwähnt und ausgeführt habe ist das georgische Essen. Das so vielfältig und auch echt lecker ist. Vielleicht gibt es ja mal noch einen Bericht der sich nur ums Essen dreht, als Übersicht meiner gesamten Reise.

Nun gut… als nächstes soll es also weiter Richtung Norden gehen. Richtung Berge🏔️

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Kommentare

9 Antworten zu „Georgien im Zeichen der Gesellschaft und des Weins“

  1. […] dieser Military Highway vor mir, vor dem ich zugegebenermaßen doch etwas Respekt hatte. In meinem letzten Bericht habe ich über meine Bedenken schon ein wenig geschrieben. Enge Bergstraßen, viele LKWs, viele […]

  2. Günter

    Hi Simon.
    Es freut mich immer wieder dein Berichte zu lesen. … Sehr interessant.
    Ich freue mich schon auf Weiteres.
    Weiterhin viel Glück

  3. Günter

    Hi Simon.
    Es freut mich immer wieder dein Berichte zu lesen. … Sehr interessant.
    Ich freue mich schon auf Weiteres.
    LG

  4. Marion

    Immer wieder spannende Geschichten auf Deiner „Leben und leben lassen“ Reise. Wunderbare Bilder. Danke fürs Teilen. Hab es weiter gut!! Herzliche Grüße vom vergleichsweise langweilig, friedlich fließenden Rhein, km 511 😉

  5. Hodfi

    Hey Simon wer will denn schon ein 5 Sterne Hotel.
    Das war um vieles besser.
    Viel Glück weiterhin und gute Fahrt.

  6. Sommelière

    Du nimmst es mit dem Sabbatical aber genau: „Der Genuss von Alkohol ist an besonderen Tagen, zum Beispiel Sabbat nicht nur erlaubt, sondern geboten. Der Segen über die Schabbatzeit wird an diesem Abend über einem Glas Wein gesprochen“

    Ansonsten freue ich mich über Deine Fotos – besonders, wenn sie von Deinen naggischen Beinen gefüllt sind

    1. Mit der Zeit wird man eben zum Sabbatical Profi… da gehört en Schobbe auch mal dazu 🙂
      Ob ich deinem Fetisch anmutenden Foto Wunsch ankommen werde muss ich noch überdenken.

  7. Papa

    Einfach nur ein ganz großes wow 😲
    Was für eine fantastische Reise lieber Simon. 😃

    1. Ähnliche Worte schießen mir manchmal auch in den Kopf 🙂