Von den Bergen bis zum Schwarzen Meer

In der Zwischenzeit, wahrscheinlich weil es bei den „betroffenen“ Menschen nun auch ankam, dass ich auf meinem Rückweg bin, erhielt ich immer mal wieder eine Nachricht aus der Heimat, welche in verschiedenen Worten sagte, dass sie froh sind, dass ich bald wieder zurück bin, oder einfach nur die Rückfrage, wann ich denn nun zurück sein werde. Ui ja, das ist ein besonderes Gefühl zu wissen, dass Menschen auf einen warten. Besonders ist dies, auch wenn es von Menschen kommt, die man garnicht so gut kennt und vielleicht auch nur einmal die Woche auf dem Rad trifft. Vor allem im Kontrast, da ich auch Menschen auf meiner Reise kennen gelernt habe, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie auf Reisen sind, weil sie eben keine Heimat haben, zu der sie gerne zurückkehren möchten, bin ich doch echt froh dass ich aufrichtig sagen kann, dass ich mich auf mein Umfeld, die Menschen, Familie, Freunde, Stadt, Umgebung und auch Kultur freue.

Doch bevor ich dort wieder ankomme, standen zu diesem Zeitpunkt noch viele Kilometer und nicht zuletzt auch noch das gesamte Schwarze Meer zu überwinden.

Ganz konkret stand dieser Military Highway vor mir, vor dem ich zugegebenermaßen doch etwas Respekt hatte. In meinem letzten Bericht habe ich über meine Bedenken schon ein wenig geschrieben. Enge Bergstraßen, viele LKWs, viele Höhenmeter. Aber ich habe mich entschlossen, dass soll es mir alles Wert sein, um in die Berge von Georgien zu kommen.

Es gibt eine WhatsApp-Gruppe Cycling east, welche eine super Community ist, für Radreisefragen. Bedenken äußernd, wegen den LKWs, etc., stellte ich die Frage, wie denn diese Straße nach Kasbegi so sein und dass ich vorhabe, in den nächsten Tagen dort hochzufahren. Auf diese Nachricht meldete sich Esme bei mir. Eine Engländerin, die meinte, dass sie auch in den nächsten Tage doch hochfahre, um nach Russland zu kommen. Nach einer kurzen Synchronisation adaptierten wir unsere Pläne ein wenig. Da sie sich zu diesem Zeitpunkt schon quasi kurz vor dem Beginn des langen Berganstiegs befand, musste ich also meinen nächsten Tag etwas erweitern, mit dem Ziel, dass wir uns kurz vor dem Bergpass in einer Pension treffen, um von dort aus am nächsten Tag gemeinsam nach Kasbegi zu rollen.

So startete mein nächster Morgen also recht früh, denn über 2000 Höhenmeter galt es an diesem Tag zu bezwingen.

Doch nicht nur einfach stumpfes Geballer sollte es an diesem Tag für mich geben. Die Landschaft und auch die Strecke allgemein war wirklich schön. Anfänglich noch viele kleine Weindörfer und rechter Hand die immer größer werdenden Berge, wurde die Landschaft gepaart mit steinigen Flussbetten immer etwas wilder.

Einen kleinen Hügel drücke ich mich und meinen Bock zu einer recht abgelegenen aber, ich denke der schönsten Kapelle, die ich in Georgien gesehen habe, hoch.

Wenig Verkehr, kurvige Straßen, echt böse Begegnungen mit Hütehunden und ordentliche Hitze dominierten dann also meinen Tag, bis ich am Fuße der Berge und somit auch am Beginn dieses Military Highway stand. Okay, es gab ein paar Situationen in denen von hinten ein voll beladener LKW an einem steilen Stück, offensichtlich nicht bereit,das tonnenschweren Gefährt, am Hang abzubremsen, dauerhupend auf mich zurollte und mir wirklich nichts anderes übrig blieb, als ins Kiesbett zu springen, um im gleichen Moment zu vermeiden dabei nicht in die Leitplanke (falls vorhanden) oder in den Hang abwärts zu fallen. Gut aber irgendwie hatte ich das Gefühl das alles irgendwie im Griff zu haben.

Dann kam das Serpentinen-Stück, wo ich wusste, dass die Straßen besonders eng sind. Doch irgendwie schien ich das Glück auf meiner Seite zu haben. Kurz hinter mir haben sich zwei LKWs in einer Serpentine festgefahren und die Straße blockiert, dass ich die folgende gute Stunde von keinem einzigem Fahrzeug überholt wurde. Was zwar nicht bedeutet, dass neben der natürlich immer noch vorhanden Anstrengungen den Bock den Berg hochzubekommen, die Georgia überhaupt kein Problem darin sehen, den Überholvorgang genau dann anzusetzen, wenn sie gerade auf mich in entgegengesetzter Richtung zufahren und dann auf meiner Fahrspur, mir in die Augen schauend, mit Minimalabstand vorbeirasen. Aber selbst daran kann man sich erstaunlicherweise gewöhnen.

Doch auch an diesem Tag, hat die richtige Musik mich den Berg hochgezogen, bis ich das letzte Dorf vor dem Pass erreichte bei ca. 2000 m, in dem ich Esme treffen sollte.

Da wir beide extrem hungrig waren, haben wir das Kennenlerngespräch nach Abstellen unserer Räder in der Pension auf den Weg zum Markt im Dorf verlegt. Um in Georgien schnell und gut satt zu werden, gibt es in jedem Markt in der Tiefkühltruhe gefrorene Khinkali. Also georgische Riesentortellini mit Teiggriff. Wir dachten, es waren zu viele, die wir gekauft haben. Doch die zurückgelegten Höhenmeter des Tages haben viel Platz in unseren Bäuchen geschaffen. Kugelrund und mit einem lecker georgischen Wein begleitet, ging es dann als einzige Gäste in dieser Unterkunft in die Betten.

Da wir wussten, dass nur der Anstieg bis zum Pass und dann ein langes Bergabrollen auf uns wartete, hatten wir es am Morgen nicht eilig. Ein morgendlicher Regen, hat mich, bei unserer dann trockenen Ausfahrt um 11 Uhr, betätigt, dass es die richtige Entscheidung war, nicht im Zelt zu schlafen.

Und es war schön in den Bergen aufzuwachen und durch diese zu Rollen. Das Bergpanorama war wirklich zum Genießen. Wenn man tolle Aussichten hat, sind die Beine urplötzlich nur noch halb so schwer und es rollte fast schon wie von allein den Berg hinauf.

Da Esme nicht so der “ich lass es Bergab rollen”-Mensch ist, haben wir uns dann am Pass für ein Hostel am Nachmittag in Kasbegi verabredet, in dem wir für 2 Nächte blieben wollten.

Plan war an dem Fahrrad freien Tag eine Wanderung zum Gletscher des Kasbegi-Bergs zu machen. Bis zur, das Tal überschauenden Kathedrale, welche auf einem Felsvorvorsprung über dem Dorf trohnt haben wir es geschafft, dann sollte die sich die regnerische Wettervorhersage mit seinen Vorboten in Form von aufkommenden, sehr schwarzen Wolken, bewahrheiten und wir kürzten die Tour ab, dass wir gerade mit den ersten Regentropfen in einem kleinen Restaurant zum Mittagessen aufschlugen. Perfekt getimt, top Mittagessen und doch ein wenig Bewegung in diesen beeindruckenden Bergen gehabt. Alles in allem also gut gelaufen und ich war bereit mich am nächsten Morgen wieder auf mein Rad zu schwingen, um mich erst den Pass hoch, aber dann diesen langen Military Highway bergab rollen zu lassen.

Die Strategie beim Bergabrollen war es, mit der Geschwindigkeit der Autos und LKWs gemeinsamen zu schwimmen. In den Serpentinen meine Position wechseln, bis ich ein Fahrzeug hinter mir hatte, bei dem ich das Gefühl hatte, dass dessen Steuermann oder Steuerfrau ausreichend auf mich vulnerablen Radfahrer Rücksicht nimmt. Ai… und dann rollen lassen oder mal kurz die Oberschenkel ansäuern, wenn es in einen kurzen Gegenanstieg ging. Bestimmt war es einer der Strecken auf meiner Reise mit dem größten Potential, dass etwas hätte schief rollen können. Hat es sich gelohnt: Ja!

Als nächste Halt auf der Reise wurde dann in den Boardcomputer eine Stadt mit dem Namen Batumi einprogrammiert. In 4 Tagen ging es durch das Inland von Georgien in einer wirklich brutalen Hitze. Nachdem ich am ersten Tag vollkommen durchgeglüht war und auch nachts im Zelt wegen Dauerschweiß keinen wirklichen Schlaf gefunden habe, entschloss ich mich für die folgenden Nächte eine Unterkunft mit kalter Dusche und vor allem klimatisiertem Schlafzimmer zu finden, wobei man sich in Georgien für einfache Unterkünfte bei 10-20€ pro Nacht wirklich nicht verausgaben muss. So konnte ich die heißen Folgetage wirklich viel besser wegstecken. Und ich hatte echt zwei richtig gute Unterkünfte erwischt, bei denen ich zudem auch extrem gut bekocht wurde.

Ich weiß schon garnicht mehr was ich noch über diese so unterschiedliche Natur noch schreiben kann und soll, außer dass ich echt meinen Spaß hatte, weil sie herausfordernd, unvorhersehbar und bis auf das immer mal wieder ein Dorf zu durchrollen war, auch recht einsam. Ja und da kommt es auch mal vor, dass man von Herren im Dorf, welche warum auch immer oft in diesen gemauerten Bushaltestellen sitzen und den Tag vorrüberstreichen lassen, spontan zu einem oder zwei oder wenn man nicht Stop sagt auch gerne noch viel mehr Bier eingeladen, oder fast schon vom Fahrrad gezogen wird.

Dem Schwarzen Meer rollte ich also immer mehr entgegen, bis ich es dann auch zum ersten Mal sah. Perfekt zur Mittagszeit, dass ich meinen Campingstuhl ausgepackt habe, wie so oft zu meinen Mittagspausen und mein übliches georgisches Mittagessen auf dem Rad, leckeres salziges Brot mit Käse, Gurken und natürlich PeanutButter, zu mir nahm.

An dieser Stelle sei mal erwähnt, dass die 513g Camping Stuhl (Helinox Zero), welche ich anfänglich auch etwas unentschlossen mit mir herumgefahren habe, ich nun letzten Endes nicht bereue mitgenommen zu haben. Eine Mittagspause, Frühstück oder eben den gemütlichen Abend in der Natur, mit wirklich gemütlicher Rückenlehne, besonders nach einem langen Tag auf dem Rad ist schon fast als Wellness zu bezeichnen.

Batumi, die Hauptstadt des Westens an der Schwarzmeer Küste gelegen, ist eine sehr moderne Stadt mit vielen Casinos aber auch definitiv seinem Charme. Omnipräsent die extrem feuchte Hitze, was einen eigentlich ständig in einer geschlossenen Schweisschicht durch die, an der Küste sehr touristisch, aber abseits davon recht schroffen Viertel laufen lässt.

Das georgische Essen werde ich vermissen. Auch wenn das Brot eigentlich immer vollkommen über Salzen ist und man nach einem Brot immer “en morzmäsische Doscht” hat, schmeckt es einfach subba. Der georgische Käse (ungesalzen/gesalzen/weich/quietschend/geräuchert), wobei man den guten eigentlich wirklich nur auf den Märkten kaufen kann, werde ich auch gut in Erinnerung behalten. Also Essen, Wein und Natur können die Georgier. Straßenqualität und die Variation an Frauennamen (gefühlt jede zweite Frau heißt Nino) ist noch ausbaufähig.

Meine letzten beiden Tage in Georgien verbringe ich dann also in Batumi bevor ich auf die Fähre nach Bulgarien hüpfe. Aber diese ganze Fährenbuchung, bis ich dann wirklich endlich auf dem Dampfer war und natürlich diese Trucker-Partyboots-Tour an sich, ist eine eigene Geschichte wert.

PS: Ich hatte noch ganz vergessen zu erwähnen, dass als ich aus den Bergen also von Kasbegi runtergerollt war und gerade am Fuße der Berge war, mir ein Defender mit einem französischen Kennzeichen entgegen kam. Auch wenn ich wusste, dass die Beiden Franzosen, die ich das letzte mal vor ca. 2 Monaten in Albanien getroffen habe, gerade irgendwo in Georgien sind, da ich deren Weg auf Instagram etwas verfolge, hätte ich nicht damit gerechnet, dass man sich so einfach noch einmal über den Weg rollt. Wir drei konnten es fast nicht glauben und sind uns mehr oder weniger schreiend in die Arme gerannt, nachdem wir unsere Fahrzeuge umgedreht hatten. Es ist verrückt, wie solche Momente so sehr unerwartet aber genau im richtigen Zeitpunkt eintreten. Meine Stimmung war vor diesem Moment richtig mies, da meine Gedanken gerade über einer der scheinbar unlösbaren „Heimatsthema“ kreisten. Und im nächsten Moment, schaue ich in zwei strahlende vertraute Gesichert. Vielen Dank lieber Zufall oder wer diesen Moment auch immer Möglich gemacht hat.

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Kommentare

4 Antworten zu „Von den Bergen bis zum Schwarzen Meer“

  1. Papa

    Einfach top 👍

  2. Dominik

    Hab die Katzen gefunden, musste ganz schön den Finger wundscrollen! Vielen Dank dafür 😉

  3. Hoddi

    Immer wieder
    Super!!

    1. Vielen Dank 🙂