Trucker-Schiff von Georgien nach Bulgarien

Da Georgien mein östlichstes Land bleiben sollte und ich ein Rückweg mit dem Flieger für mich ausgeschlossen habe, da ich ja auch ausreichend Zeit haben, war es eigentlich von Anfang an der Plan, mit dem Rad zurückzufahren. Schön wäre es gewesen, das Schwarze Meer zu umrunden. Doch wegen der gegenwärtigen Situation in Russland und der Ukraine ist dies zum einen keine gute Idee und auch schlichtweg einfach nicht möglich dieses Gebiet zu durchfahren.

Ein weiteres Mal das große Land Türkei durchzurollen, war auch nicht mein Favorit. Meine Wahl fiel also auf die hier schon das ein oder andere Mal erwähnte Fähre, die das Schwarze Meer von Georgien nach Bugarien ein Mal die Woche in einem Rutsch durchquert.

Die Buchung

Nein, online buchen kann man diese Fähre nicht. Doch inzwischen hat das Fährunternehmen wohl jemanden eingestellt, der englische E-Mails beantwortet, dass man nicht auf jemanden angewiesen ist, der/die die bulgarische Sprache ausreichend beherrscht, um ein Ticket telefonisch zu buchen.

Da Trucker bevorzugt behandelt werden, hat mich die Information erreicht, dass das Buchen erst eine Woche vor Ablegen der Fähre, für Radfahrer möglich ist. Somit ging montags morgens eine E-Mail von mir raus, mit der Bitte um die Mitnahme am darauffolgenden Montag (15.07.2024) . Die Antwort: „Ich solle mich doch noch mal am Freitag melden“. Naja, und dann im schlimmsten Fall eine E-Mail erhalten, dass es nicht klappt? Nicht so wirklich wie ich mir das vorgestellt habe. Mit ein bisschen Herumfragen bei Radlern, die mit der Fähre bereits gefahren sind, habe ich eine direkte E-Mailadresse eines Fährmitarbeiters bekommen, welchem ich nocheinmal meine Anfrage schickte. Der liebe Herr hat mir dann bereits am nächsten Morgen prompt eine Reservierung zukommen lassen. Also eine E-Mail in der stand: “Booking confirmed, to pay cash in €“ und der Preis 220 € für mich, Bett, und 3 mal am Tag Essen und 20€ für mein Rad. Ich solle am Abdampfstag um 18:00 Uhr am Fährbüro sein. Ich war also Happy.

Ab aufs Schiff

In all meiner noch immer existierender deutschen Pünktlichkeit kam ich also an diesem kleinen „Office“, ein in die Jahre gekommener zum Büro umgebauter verrosteter Container, zu besagtem Tag an. Durch die Stadt rollend habe ich unterwegs noch Bane aufgegabelt, ein serbischer Radreisender. Gemeinsam mit ein paar Truckern und Aydan einem Motorradfahrer aus Australien, auf seinem Weg nach England, standen wir da und niemand wollte uns ein Ticket geben oder mit uns reden. Eine seltsame Stimmung. Nachdem ich mir 30 Minuten die Beine in den Bauch gestanden habe, suchte ich in der Bestätigungsemail den Namen der Person, die mir dieses geschrieben hat raus und rief diesen in Richtung der Fährmitarbeiter. Und plötzlich ging es ganz schnell (nur für mich) ich legte das Geld Bar in Euro (ja, in Euro weder Bulgarien noch Georgien hat bekannterweise den Euro, aber es musste ja Bar in Euro sein) auf den Tisch. Ich solle um 21 Uhr an der Fähre sein, falls früher, rufe er mich ich an. Die Unterhaltung war dann auch urplötzlich auf flüssigem Englisch. Also habe ich das Büro, zwar ohne jegliche Bestätigung oder Ticket in der Hand, aber mit dem Gefühl, dass das schon passen wird, verlassen.

Bane und Aydan waren da nicht so glücklich wie ich, da sie keine Reservierung hatten. Die Beiden wurden gebeten auf unbestimmt Zeit zu warten, falls noch ein Bett übrig bleibt, bekämen sie es. Aber die Euros sollten/können sie ja schon mal auftreiben. Wechselstuben waren in der Innenstadt ein paar vorhanden, die auch in Euro wechselten.

Ich ging also mein letztes georgisches Geld in einem Fischrestaurant nah am Hafen bei Fisch, Muscheln und ein wenig Wein verprassen.

Naiv rollte ich schon um 20 Uhr a das Tor des Hafens und dachte, vielleicht lassen sie mich ja bereits drauf. Die Abweisung kam aber prompt: „passender, No… Maschine, Maschine“, begleitet von einer Geste wegdeutend vom Tor. Ich versicherte mich bei einem der Trucker, dass ich aber am richtigen Schiff und am richtigen Tor war.

Weil der Vorplatz vor dem Tor viel zu klein ist, wurden die Trucker gruppenweise in den folgenden 4 Stunden angerufen, dass sie nun auf das Schiff konnten. Mir wurde dann mitgeteilt, dass erst, wenn alle LKWs durch sind, dürfen wir Passagiere on Board. Jetzt stand und saß ich da also. Es wurde dunkel, es wurde langweilig. Gelegentlich gab es etwas Unterhaltung in Form eines fast schon physischen Streits zwischen dem Sicherheitspersonal und Truckern, denen das auch alles viel zu unorganisiert und zu langsam voran ging.

Nagut, mehr als Warten blieb halt einfach auch nicht übrig. Ein deutscher Geschäftsmann (Bernhard), der schon von Anfang an etwas pedduddelt war, packte dann eine Flasche guten georgischen Wein aus, die er bereitwillig mit mir teilte. Um 23 Uhr tauchte dann auch etwas abgenervt Aydan auf. Er hatte schon eine Stunde vor dem Office auf dem Boden geschlafen, bis sie ihn weckten und sie ihm mitteilten, dass er ein Bett auf dem Schiff bekomme. Bane fehlte nun noch.

Dann war es so weit. Wir durften rauf, auf unser Zuhause für die nächsten 3 Tage. Mein Rad habe ich gut verstaut und befestigt und los geht’s.

Der Offizier empfing uns wirklich herzlich und voller guter Laune. Die Schlüssel für die Kajüte gab’s direkt in die Hand. Gepäck weg gepackt und dann haben wir drei (Ayden, Bernhard und ich) uns noch ein Bier für 2 € beim Offizier geholt und pünktlich zur Mitternacht, haben wir auf die bevorstehende Überfahrt auf Deck angestoßen.

Auf dem Weg Richtung Bett, hat uns der Offizier erneut abgefangen und uns gesagt, dass in den nächsten paar Stunden noch die Grenzpolizei vorbeikommen wird und wir unsere Pässe bereit haben sollten. Im Aufenthaltsraum wurde sich gerade zusammengerottet und die Gläser mit Bier und Schnaps herumgereicht. Da schien die Trucker-Party nun also warm zu laufen, ganz nach dem Motto: „Motor aus, Flasche an den Hals“
Mir war nun aber nach Schlafen. Das words wohl nicht die letzte Möglichkeit gewesen sein, in Gesellschaft etwas zu trinken.

Zu meinem Erstaunen stand neben Aydan auch Bane mit seinem Pass in der Hand in unsere Kajüte, als wir um 5 Uhr für die Passkontrolle geweckt wurden. Ich habe im Schlaf mit Ohrnstöpsel und Schlafmaske nicht mitbekommen wie er ins Zimmer kam.

Zwei junge hübsche Beamtinnen saßen in einem Raum und kontrollierten unsere Pässe, welche sie auch, mit den Worten „After Travel, back“, einbehielten. Alla Hop…

Abfahrt

Da ich anschließend nicht wieder schlafen wollte/konnte schaute ich mir auf Deck die Ausfahrt aus dem Hafen an. Anschließend setzte ich mich in unserem Speise- und Aufenthaltsraum, in dem sich an drei Tischen, Trucker seit betreten des Boots, ihren Wodka und ihr Bier schmecken ließen. Um ehrlich zu sein, genauso wie ich es mir vorgestellt habe. Eigentlich eine ganz entspannte Atmosphäre.

Da saß ich nun mit all diesen angetrunkenen Männern, morgens um 6 Uhr. Plötzlich standen sie alle mit einem gut gefüllten Becher Wodka auf und einer nach dem anderen sprach einen mit persönlichen und emotional anmutenden Worten bestückten Toast aus, bevor die Becher der Reihen nach gekippt wurden. Dieses Prozedere wiederholte sich dann auch immer mal wieder, nur das zusehend die Standfestigkeit von einem Schwanken der Männer abgelöst wurde, welches nicht durch den Seegang bedingt war. Aber irgendwie fühlte ich mich während diesem Zeitpunkt noch wie ein Zuschauer in einer Szene eines testosteronstrotzenden Seemannfilms.

Dann kam das erste Frühstück. Und ja es war ganz in Ordnung, so wie eigentlich auch fast alle Mahlzeiten in den nächsten Tagen. Die Malzeiten um 8 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr waren auch die Höhepunkte am Tag, die diesem zumindest ein wenig Struktur gaben und zu denen alle plötzlich auftauchten. Auch diejenigen die eigentlich die ganze Überfahrt sonst wohl einfach nur in ihrem Bett lagen.

Mich hat im Vorhinein die wertvolle Information erreicht, dass es dauerhaft heißes Wasser auf dem Schiff gibt, dass man sich zumindest immer einen schnellen Instantkaffee machen kann. Somit habe ich die Tage ganz nach dem Motto gelebt, wie schon Martin Bechler von Fortuna Ehrenfeld singt:

„Coffee keeps me busy until it‘s time to get drunk“

Den restlichen Tag hat man in netter Gesellschaft mit Kartenspielen oder Hand und Fuß Unterhaltungen mit den georgischen, armenischen, ukrainischen oder sonstigen Menschen verbracht. Ab und zu gab es Delfine im Schwarzen Meer zu sehen oder andere Schiffe waren in Sichtweite. Nach dem Abendessen versammelten sich dann eigentlich alle draußen auf Deck und warteten auf den Sonnenuntergang, während wirklich ununterbrochen Schnaps und Bier die Kehlen herunterfloss. Auch ich war gut vorbereitet, denn ich hatte eine Literflasche Chacha mitgenommen, mit dem ich mir Freunde machte. Ich hatte meinen Spaß mit den Truckern, denn am zweiten Tag hat sich alles angefühlt wie eine große Familie und immer mal wieder hat man ein Bier oder Schnaps einfach so in die Hand gedrückt bekommen. Ein wenig, wie ich mir die Stimmung in einem Gefängnis vorstelle. Unser Hof, auf dem wir unseren Auslauf haben ist der Außendeckbereich. Der restliche Tag beschränkt sich auf den Speiseraum, wo es pünktlich 3 mal am Tag Essen gibt und eben die 4er Kajüten.

Es waren also Bernhard, der deutsche Geschäftsmann, Bane der Serbe auf dem Rad und Aydan der Ausi, mit denen ich die meiste Zeit verbrachte. Ich denke, es ist auf den Fotos zu erkennen, wer hier wer ist.

Ankunft

Ich war wirklich beeindruckt, wie gut organisiert, diese ganzen Männer sich gefühlt ohne Pause 48 Stunden lang mit Schnaps und Bier zugerichtet haben. Auch eine spontane Entleerung des Mageninhaltes in den Mülleimer hat der Motivation weiterzutrinken keinen Abbruch getan. Trotzdem war eigentlich, wenn auch manchmal etwas lauter, eine durchweg gute Atmosphäre auf dem Schiff. Am letzten Abend gingen alle früh ins Bett. Zum Frühstück am Morgen des Ankommens, kamen sie alle auf einmal frisch geduscht und in frischer Kleidung aus ihren Kajüten gesprungen, als würden sie von ihren Liebsten am Hafen abgeholt werden.

Mit Bane habe ich noch Kontaktdaten ausgetauscht, da sein Heimatort so irgendwie auf meiner Heimroute durch Serbien lag und er sehr von der Gegend geschwärmt hat.

An Land ankommen

Um 9:30 Uhr ging dann das Tor auf Deck auf und wir wurden in die Freiheit entlassen. Mischi ein Radreisender, den ich vor einigen vielen Wochen in Albanien getroffen habe, wartete am Hafen auf mich, denn er nahm am Folgetag das gleiche Schiff nach Georgien. Wir sind also gemeinsam in einer Unterkunft für diesen Abend gelandet und haben unsere Zusammenkunft, seine Abreise nach Georgien und mein Ankommen in Europa mit einem leckeren Abendessen gefeiert.

Nun der Heimweg

Puh… da war ich also schlagartig so einen großen Schritt der Heimat näher gekommen. Nagut, ich befand mich immer noch in einem Land, in dem ich die Schrift nicht lesen konnte und auch gefühlt war es noch ein langer Weg bis zurück nach Deutschland. Also mit anderen Worten war es noch nicht so richtig greifbar, wie mein Heimweg nun aussehen wird. Und ich habe bemerkt, dass ich mir eigentlich noch nicht so richtig Gedanken gemacht hatte, wie ich diesen Heimweg gestalten wollte. Mein Gefühl sagte mir aber, dass sich der Heimweg mit jedem Meter Richtung Deutschland leichter gestalten wird, was mich sehr entspannt in die folgenden Tage schauen ließ.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Trucker-Schiff von Georgien nach Bulgarien“

  1. Papa

    Ich danke dem Mann von Welt für diesen beeindruckenden Bericht!