Angenommen ich bin angekommen

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Ja, angekommen, zurück von meiner Radreise von Deutschland nach Georgien und wieder zurück, bin ich nun schon vor einigen Tagen, um genau zu sein, vor über 6 Monaten. Diesen Beitrag schiebe ich seitdem vor mir her, da ich dachte, eine Zusammenfassung und ein Resümee, meiner gesamten Reise sowie des Ankommens für diesen Beitrag in Worte fassen zu können. Jetzt jährt sich heute meine Abfahrt am 23.03.2024.

Ich bin mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen, dass es einfach zu viele Perspektiven, Momente, Gefühle, Situationen, Begegnungen, leckeres Essen und schlicht und einfach Bilder und Emotionen sind/waren, die sich in meinem Kopf abgespeichert haben, dass es hier unmöglich ist, sie in einem überschaubaren Rahmen für Außenstehende – also für dich als Leser*in – aufzuschreiben und zusammenzufassen. Und nun kommen doch noch alle Erlebnisse und Momente seit meiner Rückkehr hinzu.

Ok, alles auf Anfang. Bevor es losging vor einem Jahr. Es gab natürlich, bevor ich die Entscheidung traf, die Reise anzugehen, Bedenken. Finanzielle Bedenken, „möchte ich so lang von zu Hause weg sein?“, „traue ich mir das zu?“, „ist es all die Aufregung wert?“. In „Bedenken finden“ ist der Mensch gut, auch ich habe viele. Rückblickend muss ich sagen, dass es richtig war, auch nicht nur einem einzigen dieser Bedenken so viel Gehör zu geben, dass er mich diese 141 Tage meiner Reise zu Hause halten konnte.

Ankommen

Nun aber zurück zu meinen letzten Metern und dem Ankommen, was ich hier gerne noch berichte (August 2024):

Dann standen sie also an. Die letzten beiden Tage, die letzte Nacht dieser Reise. Aber ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass mit dem physischen Ankommen, diese Reise noch nicht wirklich sein Ende erreicht haben wird. Denn da waren noch so viele Dinge in meinem Kopf und Gefühle in mir, die es zudem anstand zu verarbeiten, was mich bestimmt noch einige Zeit beschäftigen wird und mich intensiv mit meiner Reise auseinandersetzen lässt.

Gestartet bin ich an diesem Morgen in der Nähe von Nürnberg, wo ich bei meiner Schwippschwager-Familie zwei umsorgte Nächte verbracht habe.

Ich hätte diese Strecke bis in die Heimat an einem Tag durchziehen können, doch das wollte ich nicht. Das Wetter war wunderschön an diesem Tag, und ohne diesem Abend eine zu hohe Bedeutung zuzuordnen, wollte ich noch einmal im Zelt schlafen. Am liebsten an einem Platz mit Aussicht und gemütlich sollte es sein. Ich hatte mir kein genaues Ziel gesetzt. Ich ließ es einfach rollen, nachdem ich noch in einem kleinen Bauernhofsladen einkaufen und für die Nacht Wasser auffüllen war, hielt ich also meine Augen offen. 2,3 Plätze, an denen ich vorbeirollte hatten Potenzial. Aber wie sooft dachte ich mir, „es könnte noch etwas besser sein“. Ich möchte nicht von einem perfekten Platz reden, weil wann ist er das schon, aber für diesen Abend habe ich noch eine Weile weitersuchen wollen, um schlussendlich den richtigen Ort für diesen Abend gefunden zu haben. Einen Ort mit Aussicht in der Sonne, auf einem weichen bemoosten Untergrund.

Ich habe also fix mein Zelt aufgebaut, mein Campingstuhl auch. Meinen Titan-Flachmann aus der Rahmentasche geholt, der immer noch mindestens Dreiviertel voll mit meinem von Zuhause abgefüllten selbst gemachten Salbeischnapps war, einen guten Mundvoll genommen.

Als ich dann in die Ferne schaute, wurde ich traurig, aber auch glücklich. Hauptsächlich aber traurig. Bestimmt ein wenig aus dem Grund, dass die Reise nun zu Ende ist. Es kamen Fragen in meinem Kopf auf, wie: „Habe ich bereits genug erlebt, um hier nun diese Reise zu beenden?“, „Warum ausgerechnet hatte ich die Möglichkeit, diese Reise so zu machen?“, „wie zur Hölle habe ich es hinbekommen, dass in all dieser Zeit auf all diesen Kilometern nicht wirklich etwas passiert ist, was ich als schlecht bewerten würde?“, „was wird nun passieren, wenn ich wieder in der Heimat ankomme?“, „wird alles so wie früher sein?“ Ich denke Ja und Nein.

So weit habe ich meinen Salbeischnapps also fahren müssen, dass ich ihn nun an meinem letzten Abend trinken kann. Es war der richtige Abend dafür, meinen Geist etwas leichter werden zu lassen. Um meine Antworten auf diese und noch viele weitere Fragen kreativ in meinem Kopf umherwandern zu lassen. Mit dieser Stimmung in meinem Kopf und dabei mein Abendessen aus den gekauften Nudeln, Eiern, Käse und ein wenig Gemüse vom Bauernhof, ging der Abend dann also dahin.

Das Ziel für den kommenden Tag war klar. Noch den Neckar überqueren und mit einer kleinen Schleife durch den Odenwald bis zu meinem Bauwagen, wo ich vor ein paar Monaten verabschiedet wurde. Auf einen großen Willkommens-Empfang habe ich bewusst verzichten wollen. Dies gelang ganz gut, da ich nur ganz wenigen Menschen mitteilte, wann genau ich zurückkommen werde.

Jede Kurbelumdrehung, mit der ich also meinem Ziel und diesem „Ankommen“ näher kam, war von der Vorfreude bald wieder Zuhause zu sein, motiviert und im selben Moment auch gebremst und belastet von dem Gewicht der Gewissheit, dem Ende dieser Reise näherzukommen. Aber wenn ich eines in den vergangenen Monaten gelernt habe, dann einfach weiterzutreten, auch wenn es gerade ungewiss ist, wohin das führt oder es mal zwickt, drückt oder zieht. Also ließ ich es rollen und war gespannt, was passiert.

Ja, der Tag rollte gut. Der erste Handkääs zum Mittagessen, denn ich auf einem Markt mit den Worten kaufte „Ai, auf son’ Handkääs freue ich mich nun schon ne ganze Weile“, woraus sich ein netter Austausch mit dem Standbetreiber über meine Reise ergab, hat richtig gut gemundet und mir die notwendige Energie für den restlichen Tag gegeben.

Es waren an diesem Tag keine 100 km die ich treten musste. Dann stand ich da. An meinem Bauwagen. Naja eigentlich alles so wie immer. Warum soll es auch anders sein? Und doch fühlte sich alles ein wenig anders an. Empfangen wurde ich von einem mir engen Menschen. Ein Lagerfeuer mit Grillen und einen Willkommenstrunk hatte ich an diesem Nachmittag noch mit Katja, bevor ich nach langer Zeit mal wieder eine Nacht in meinem Bauwagen verbracht habe.

Und ich wollte es ja langsam. Bevor es dann wirklich zurück nach Darmstadt ging, habe ich noch einen Zwischenstopp in meiner Heimat bei meiner Mutter + Mann eingelegt, wo ich schon sehnsüchtig erwartet wurde.

Meine Schwester und Nichte, welche mir die Abfahrt doch wirklich am schwersten gemacht haben, konnte ich leider nicht so schnell sehen, da die kleine Familie selbst auf einer Reise in Schweden zu diesem Zeitpunkt war.

Ein frischgezapftes Grohe im Seeheimer Biergarten am nächsten Tag auf meinem Weg nach Darmstadt, hat meinem Mut noch einmal einen kleinen Kick gegeben, dann wirklich über die Stadtgrenze nach Darmstadt zu rollen.

Mein Zuhause sollte Darmstadt für die darauffolgenden 1,5 Monate jedoch noch nicht sein. Zum einen hatte ich ja noch 1,5 Monate frei, bevor ich wieder anfing zu arbeiten und meine Bude war noch untervermietet und zudem dachte ich mir noch eine Weile in meinem Bauwagen im Wald zu wohnen, würde mir die Adaption aus meinem Radreise-Minimalismus zurück in das Leben hier erleichtern.

Nun gut, nach 4 Tagen war ich dann auch schon wieder mit meinen guten Kumpels auf einer Hüttentour für ein paar Tage. Also schon direkt wieder weg.

Aber dann begann das lange Einleben. Ja, am meisten haben mich meine ganzen Dinge überfordert, die ich besitze und auf mich warteten. Diese auch zu organisieren, was ich wann wo benötige und wohin ich etwas mitnehmen muss. Ich hatte schließlich die letzten Monate immer alles bei mir, was ich brauchte, denn mehr hatte ich ja nicht. Das war ausreichend und irgendwie auch so viel einfacher.

Ein Haargummi, eine Radhose und Radtrikot, in denen ich eigentlich jeden Kilometer gefahren bin, 3 paar Unterhosen, meinen Stuhl, Kochen und Geschirr und all das waren immer nur eine Armlänge weg, denn mein Fahrrad war immer bei mir.

Tatsächlich bin ich noch eine ganze Weile in meinen Klamotten rumgelaufen, welche ich mit auf der Reise mit mir dabeihatte. Ich sah keinen Grund, etwas anderes anzuziehen.

So vergingen also die Tage und ich lebte mich langsam wieder ein. Nach und nach traf ich mich wieder mit Bekannten und Freunden und konnte auch wieder mit meinen ganzen Radkolleginnen und -kollegen schöne Touren fahren.

Sophie, meine Reisebekanntschaft, die auch bereits schon seit einigen Wochen wieder auf dem Rückweg in die Heimat in Amsterdam war, besuchte mich auf dem Weg durch Deutschland auch auf der Ranch (meinem Grundstück wo mein Bauwagen steht) und wir hatten wie gewohnt einen schönen gemeinsamen Abend mit lecker Essen und bereichernden Gesprächen über dieses verrückte Gefühl des Ankommens und allem was dazu gehört.

Angekommen

Als ich meine Reise gestartet habe, habe ich mich immer wieder selbst gefragt, wann es sich so anfühlen wird, dass ich wirklich am Reisen bin und nicht gerade eben erst losgefahren bin. So ganz genau kann ich den Moment nicht benennen. Doch ich erinnere mich, dass ich plötzlich bemerkt habe, dass es sich anders anfühlte, dass ich wirklich unterwegs war und weit weg von zuhause.

So ähnlich ging es mir auch beim Ankommen. Nach fast 13.000 km und 115.000 hm die ich auf meiner Reise zurück gelegt habe und unzählige Orte an denen ich mein Zelt aufgebaut hatte oder mit einem Dach über meinem Kopf schlafen durfte, dauerte es lange bis ich wieder in diesem Bekannten eingewöhnt hatte. Und irgendwie scheute ich mich auch diesen gewohnten Alltag wieder anzunehmen. Selbst als ich schon wieder einen geregelten Alltag durch meinen Job hatte, gab es immer noch den kleinen Rebell in mir, der mich davon abgehalten hat, einfach wieder in „diesen Trott“ zu fallen. Mittlerweile glaube ich, dass dieser kleine Rebell bei mir eingezogen ist und er soll auch garnicht mehr gehen.

Im richtigen Moment bin ich umgedreht, als ich noch viel Spaß am Radfahren hatte und nicht das Gefühl aufkam… „Mensch, jetzt muss ich auch noch alles zurückfahren“. Ja, ich hätte noch eins oder zwei Länder weiter Richtung Osten fahren können und dann zurückfliegen, statt es selbst zu rollen. Doch ich muss sagen, dass ich durch das langsame Zurückkommen schon überfordert gewesen war. Also rein in den Flieger und ein paar Stunden später -> Frankfurt Flughafen … Das stelle ich mir extrem vor.

Seitdem ich zurück bin, ertappe ich mich immer wieder in Momenten, in denen ich gedanklich in Erinnerungen meiner Reise wegdrifte. Ich hoffe, dass das noch lange anhält. Aber ja da bin ich mir recht sicher.

Ich könnte hier bestimmt noch ein weiteres Mal über die Kulturen, Gastfreundschaft, das Radfahren und so ,weiter schreiben. Doch ich denke, da habe ich in all den anderen Beiträgen schon genug geschrieben.

Doch nochmal ein Blick zurück

Im Grunde war die Reise eine permanente Verschiebung der Perspektive auf Dinge. Ein ganz einfaches Beispiel: Anfänglich war das tägliche Zelt Auf- und Abbauen etwas besonders, dann wurde es ziemlich schnell zu einer sehr zeitlich optimierten Routine, bevor es auch eine Phase gab in der es schon eher nervig war dieses Zelt jedes Mal auf- und abbauen zu müssen. Es gab die Zeit, in der ich froh war mein Zelt, mein kleinen Safe-Space, für mich aufbauen zu können und ich habe es vermisst, wenn ich mal 2 Nächte nicht in meinem Zelt geschlafen habe. Am Ende der Reise war es eben wie das Zähneputzen an jedem Tag. Es gehört einfach zum Tagesablauf dazu und man macht sich keine Gedanken mehr darum.

Während meiner Reise habe ich an meine Reisefreundin Sophie einmal folgende Worte geschrieben: „Ja. This permanent shifting of perspective about this trip is kind of unpredictable. And so huge.“

So oder so ähnlich ging es mir mit so vielen Dingen.

Auch wenn wir oftmals in unserem Tag so sehr versuchen, an Bekanntem festzuhalten und Routinen in unser Leben versuchen Einzug zu geben, so sind wir doch eigentlich so verdammt gut darin, uns auf Veränderungen zu adaptieren. Und ich glaube, um so öfter man sich dazu „zwingt“, umso einfacher fällt es uns auch, dieses Anpassen auf Neues im Allgemeinen. Der Terminus „pushing out of comfort Zone“ passt hier ganz gut dazu. Im Grunde ist das hier also schon irgendwie ein kleiner Appell an jeden und jede von uns/euch.

Ich habe noch mehr Bock auf Radfahren als vor der Reise. Schon während der letzten Wochen meiner Reise habe ich intensiv darüber nachgedacht, welches Rad ich mir als Nächstes kaufen könnte. (Es sind seit meiner Rückkehr sogar zwei geworden)

Im Grunde habe ich eigentlich nichts vermisst, während meiner Reise.

Alle Nachrichten-Apps habe ich gelöscht, bevor ich los bin. Einzig die Push-Meldungen des Auswärtigen-Amts hätten mich über wichtige Ereignisse in den Ländern, die ich durchreiste, informiert.

Ich machte mir vor meiner Rückkehr schon viele Gedanken, ob ich all das denn wieder so haben möchte, wie ich es vorher hatte. Da steht das „Nein“ fast größer im Raum als das „Ja“.

Was hätte ich rückblickend auf meiner Reise anders machen können. Garnichts. Ok, das ist eine vielleicht recht naive Antwort und bestimmt hätte man an mancher Stelle etwas Besseres und Anderes aus der ein oder anderen Situation entstehen lassen können. Doch am Ende hat jede noch so kleine Entscheidung mich zu diesem Punkt gebracht, diese Reise auf eine Art und Weise zu einem Ende zu bringen, dass ich überglücklich, beeindruckt und dankbar bin. Also doch, ich bleibe dabei: Ich würde die Reise wieder exakt genauso machen.

Und ja, unbedingt würde ich diese Reise auch wieder alleine machen, auch wenn ich nach meiner Ankunft in der Heimat realisieren muss, dass die allermeisten Momente die ich erlebt habe, ich nie mit jemand anderem teilen werden kann. Diese schiere Anzahl und die simple Unmöglichkeit, jemand anderen in die von mir erlebten Momente zu versetzen, ist in gewissem Sinne auch eine bittere Erkenntnis. Auf der anderen Seite gibt es mir auch die Gewissheit, dass es eben „Meine Erfahrungen und Erinnerungen“ sind, die mir auch keiner nehmen kann.

Der Slogan „Let‘s get nutty“ hat mich auf meiner Reise begleitet. Bestimmt bin ich ein wenig mehr nutty/verrückt geworden. Doch ein wenig mehr nutty könnt es schon noch werden 😬 🌰.

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Kommentare

6 Antworten zu „Angenommen ich bin angekommen“

  1. Crasy Duud

    Ja. This permanent tanned legs are huge. Danke für den Beitrag, jetzt ist der Blog ne runde Sache wie Deine Oberschenkel

  2. eike

    Danke 🙂

  3. Papa

    Lieber Simon,
    super, super! 👍

  4. H.

    Muss doch noch was schreiben.
    Hatte Probleme deinen Blog zu lesen weil ich öfter Tränen aus den Augen wischen musste und die waren nicht durch die Allergie
    !

  5. Hoddi

    👍👍👍👍👍mehr kann man nicht schreiben einfach super!!!!

    1. Danke Hoddi, lange habe ich diesen Beitrag vor mir her geschoben. Doch jetzt musste er mal geschrieben werden